LINKE diskutieren Kultur und Medien in Europa: »Wir sind glühende Europäer*innen!«

Zum mittlerweile dritten Mal haben der Ortsverband SchwetzingenPLUS und der Kreisverband Rhein-Hardt der LINKEN am vergangenen Montag zu ihrem Solidarischen Online-Stammtisch eingeladen. Als Gäste konnten die örtlichen Linken dieses Mal die Europa-Abgeordnete Martina Michels und deren Mitarbeiterin, die Kulturwissenschaftlerin Konstanze Kriese begrüßen, um mit ihnen über Bildung und Kultur in Europa zu diskutieren.

Hier können Diskussion und Vortrag nachgehört werden

Martina Michels ist Leiterin der Delegation DIE LINKE im Europaparlament und deren Sprecherin für Digitalisierung, Kultur-, Medien- und Regionalpolitik, sowie ordentliches Mitglied im Ausschuss für Regionale Entwicklung, und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung. Ihren informativen Vortrag begann die Berlinerin mit einem Abriss über ihre Tätigkeit und über die Arbeitsweise des europäischen Parlaments am Beispiel der Ausschüsse, in denen sie aktiv ist. So erklärte sie zunächst im Rahmen ihrer Tätigkeit im Ausschuss für regionale Entwicklung die europäische Kohäsionspolitik, die das Ziel verfolgt, die Lebensverhältnisse der europäischen Regionen anzugleichen – davon sei man aber weit entfernt. In ihrem zweiten Ausschuss beschäftige sie sich mit dem Urheberrecht, mit der Stärkung öffentlich-rechtlicher Medien, aber auch mit dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten, die auch in der EU vielerorts bedroht werden. Zum Thema Kultur sagt die Parlamentarierin, dass in diesem Bereich leider immer als erstes die öffentlichen Mittel gestrichen würden. Die Europäische Union könne aber aufgrund des Subsidiaritätsprinzips nur da tätig werden, wo Probleme im Kultur- und Bildungsbereich nicht auf den unteren Ebenen gelöst werden könnten. So ist gemäß dem Motto der EU »Einheit in Vielfalt« vor allem die Erhaltung der kulturellen Vielfalt ein Anliegen europäischer Kulturpolitik, als Beispiel nennt sie dafür die Förderung europäischer Filme, den Schutz des kulturellen Erbes und die Förderung des Kulturaustauschs. Bei der Frage der Finanzierung dieser Programme ging die Martina Michels auch auf die Koppelung der Ausschüttung von EU-Fördergeldern an die Rechtsstaatlichkeit ein. Dies löste eine kontroverse Debatte darüber aus, ob die Verweigerung von Fördermitteln die richtige Form von Sanktionen gegen EU-Staaten sei, die zunehmend autoritär regiert werden: Einerseits wolle man Regierungen wie die Polnische oder die Ungarische nicht finanziell unterstützen, andererseits, so betonte etwa Landtagskandidat Florian Reck, der die Veranstaltung auch moderierte, sei ja gerade das Schaffen von Kunst und Kultur häufig auch ein subversiver Prozess, und gerade in der Kulturszene finde ja auch Widerspruch gegen autoritäre Regierungen statt. Es sei gerade deshalb wichtig, so Florian Reck, zu forcieren, dass europäische Fördergelder vermehrt direkt an lokale Projekte – ohne den Umweg über die Staatsregierungen – ausgeschüttet werden können. Die Debatte, so Martina Michels, sei insgesamt schwierig: Die Linke im europäischen Parlament sei sich zwar einig, dass die Rechtsstaatlichkeit zu fördern sei, und dass mangelnde Rechtsstaatlichkeit sanktioniert werden müsse, ob die Nichtausschüttung von Geldern allerdings der richtige Weg sei, werde auch in der Fraktion kontrovers diskutiert. Als mögliche Alternative oder Ergänzung schlägt die Europa-Abgeordnete vor, EU-Staaten mit gravierenden Rechtsstaatlichkeitsmängeln etwa das Stimmrecht im Europäischen Rat zu entziehen. Dies hätte auch den Vorteil, dass sich viele Debatten nicht so lang zögen, und »man sich nicht so verbiegen« müsse. Ein konkretes Beispiel zur Urheberrechtsfrage liefert Konstanze Kriese, die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abgeordneten: Dass man bei Ausstellungen und Bildungsveranstaltungen zum Ende des zweiten Weltkrieges immer eine amerikanische Perspektive einnehme statt einer europäischen, läge vor allem daran, dass die Bilder amerikanischer Fotografen gemeinfrei seien, während europäische Fotografien nicht frei verfügbar seien. »Wenn wir immer Ausstellungen produzieren mit einer amerikanischen Sichtweise, dann haben wir am Ende nichts europäisches erzählt«, so die Kulturwissenschaftlerin. Es gelte deshalb, das europäische Kulturerbe so zu pflegen, dass es allen frei zugänglich wird – was nur auf europäischer Ebene zu machen sei.

Nach einer langen und informativen Diskussion, die schließlich auch die gesamte Breite der Europapolitik abdeckte, wurde die Veranstaltung mit der Erkenntnis beendet, dass man auch in der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik »um Europa nicht herum kommt«, und dass es wichtig wäre, »Europa eine Stimme zu geben«, vor Ort über Europapolitik aufzuklären und eine kritische europäische Öffentlichkeit zu schaffen. »Wir sind glühende Europäerinnen und Europäer! Wir mögen uns nicht immer einig sein, wie die europäische Integration aussehen soll, aber dass eine europäische Perspektive essentiell ist, darüber sind wir uns hier alle einig!«, erklärt schließlich Florian Reck für DIE LINKE. SchwetzingenPLUS bei der Verabschiedung der beiden Referentinnen. Der Moderator empfiehlt in diesem Zuge auch das von Martina Michels herausgegebene Buch »Europa eine Stimme geben«, in dem aus verschiedenen (nicht nur linken) Perspektiven kurze Episoden über Europa erzählt werden.

Das Buch kann über den Kreisverband kostenfrei bezogen werden. Schreibt einfach eine E-Mail an Florian: Florian.Reck@gmail.com

Unsere Veranstaltung wird auch in Martinas wöchentlichem Bericht aus dem Europaparlament erwähnt.